Lenk- und Ruhezeiten – So schwer ist das doch nicht

Erstellt am: 11/10/2023 - Lesezeit: 10 Minuten

Scherz oder ernst?

Sporadisch gibt es lustige Leute, die fragen nach den Lenk- und Ruhezeiten. Ob die das nun ernst meinen, oder zum Spaß eine sinnlose Diskussion lostreten wollen, weiß ich nicht. Aber nun ja. Die Lenk- und Ruhezeiten zu kennen, gehört meines Erachtens zum beruflichen Grundwissen. Also das, was man auf jeden Fall wissen muss. Ohne dem geht es nicht oder es wird halt teuer.

Allerdings, dass es bei vielen mit dem Basiswissen hapert, ist nichts Neues und kommt auch nicht nur in unserem Beruf vor.

Wo ist das Ganze überhaupt geregelt

Die Mutter aller Gesetze, die für das Fahrpersonal darstellt, ist die VO561/2006/EG. In dieser EU-Verordnung ist eigentlich alles geregelt, was wir Fahrer dürfen und was nicht, so wie auch, was unsere Disponenten und Arbeitgeber dürfen und was nicht. Auf nationaler Ebene heißt das Fahrpersonalverordnung / Fahrpersonalgesetz.

Ruhezeiten: Wie sind sie definiert

Die Regeln für die EU-weit geltenden Lenk- und Ruhezeiten findet man in Kapitel II der o.g. Verordnung. Es sind die Artikel 6 – 9, die sich mit diesem Thema beschäftigten.

Darin ist geregelt, dass die tägliche Lenkzeit max. 9 Stunden (nach 4,5h müssen 45 Minuten Lenkzeitunterbrechung stattfinden, welche auch innerhalb der 4,5h zu je 1x 15 und 1x 30 Minuten gesplittet werden können, und zwar genau in der Reihenfolge) beträgt, bzw. 2x pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden darf. Die täglichen Ruhezeiten 11 Stunden betragen, bzw. diese 3x zwischen 2 wöchentlichen Ruhezeiten auf 9 Stunden verkürzt werden dürfen.

Diese Art von Fragen tauchen bei Facebook immer wieder auf. Ob die ernst gemeint sind, oder wieder nur sinnlose Diskussionen anregen soll, lasse ich mal dahingestellt.

Innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit muss der Fahrer eine neue tägliche Ruhezeit genommen haben.

Beträgt der Teil der täglichen Ruhezeit, die in den 24-Stunden-Zeitraum fällt, mindestens 9 Stunden, jedoch weniger als 11 Stunden, so ist die fragliche tägliche Ruhezeit als reduzierte tägliche Ruhezeit anzusehen. VO561/2006/EGA Artikel 8 Abs. 2

Erklärung dazu? Kein Problem. Ein Tag hat bekanntlich 24 Stunden. Egal, ob die Erde dabei rund oder flach ist, ob Sommer oder Winterzeit herrscht. 24 Stunden gelten immer!

Heißt also ich habe innerhalb eines gesamten Tages (von 24 Stunden) die Zeit, meine Arbeit zu erledigen (9 Stunden Lenkzeit + Be- und Entladung + Pausen und Bereitschaftszeiten) und muss dann min. 11 bzw. max. 9 Stunden Ruhezeit einlegen. Je nachdem, was ich zur Verfügung habe.

Um es mal mit Uhrzeiten zu belegen: Ich fange morgens um 6 Uhr an, dürfte dann bis um 16:45 Uhr fahren, oder halt bis 16:45 Uhr fahren, Be- und Entladen. Warum 16:45 Uhr? Wegen der 45-minütigen Lenkzeitunterbrechung (Pause), die ich nach spätestens viereinhalb Stunden einlegen muss.

Allerdings kann ich mit Bereitschaftszeiten das ganze auch noch bis um 19:45 Uhr strecken, darf dann aber nur noch eine Ruhezeit von 9 Stunden einlegen, da ich sonst den bereits erwähnten 24-Stundenzeitraum überschreite. Klar kann ich auch länger Pause machen. Es zählt aber dann weiterhin nur als verkürzte tägliche Ruhezeit. Jedoch beginnt der neue 24 Stundenzeitraum dann erst, wenn man den Tacho wieder auf Arbeitszeit stellt.

Gibt es noch andere Regelungen?

Mir fällt da spontan nur eine ein, welche allerdings vorwiegend den Nahverkehr betrifft und da dann auch nur was die Lenkzeitunterbrechungen angeht.

Pausenzeiten nach §4 ArbZG

Im Arbeitszeitgesetz ist im § 4 ArbZG festgelegt, dass man nicht länger als 6 Stunden ohne Pause arbeiten darf. Genauer gesagt:

Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden. § 4 ArbZG.

Ich bevorzuge dabei Folgendes: Je nachdem, was ich zuerst erreiche (Lenkzeit von 4,5h oder 6 Stunden reine Arbeitszeit, wobei Lenkzeit = Arbeitszeit ist) muss ich entweder 15 Minuten Pause (30 Minuten, wenn ich die Pause nicht splitte) machen oder 45 Minuten bei der Lenkzeitunterbrechung. Heißt also, mit Ablauf der letzten Minute (5:59h), sollte man schon auf dem Parkplatz stehen. GloboFleet bspw. wertet schon die erste Minute darüber als Verstoß, die Behörden vermute ich eher mal nicht, je nachdem wie lange man drüber ist.

Man kann natürlich auch treu dem Gesetz 6 Stunden arbeiten, macht dann 15, 30 oder 45 Minuten Pause und dann geht es regulär weiter, bis die tägliche Gesamtarbeitszeit erreicht ist.

Doppelwoche und andere Regelungen

Die gesamte Lenkzeit innerhalb einer Arbeitswoche darf 56 Stunden nicht überschreiten. Innerhalb von 2 Wochen maximal 90 Stunden. Heißt, um es auf die Spitze zu treiben: In der ersten Woche reize ich meine Lenkzeiten voll aus, sodass ich nicht über die 56 Stunden komme. Für die zweite Woche habe ich dann nur noch 34 Stunden reine Lenkzeit zur Verfügung, da ich ja nicht über 90 Stunden kommen darf. Heißt, wenn ich mittwochs meine 90 Stunden voll habe, darf ich erst in der Folgewoche Montags um 00:01 wieder losfahren, unabhängig davon, ob man eine Wochenruhezeit eingelegt hat oder nicht. Denn, eine Woche zählt von Montag bis Sonntag und eine Wochenruhezeit muss ich zwar spätestens nach 6 24-Stundenzeiträumen einlegen, ist aber nicht an bestimmte Wochentage gebunden. So sollte für die Erbsenzähler reichen.

Ja und die Arbeitszeit? Das ist kein Problem. Denn laut § 21a ArbZg kann meine wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 16 Wochen ein Durchschnitt von 48 Stunden nicht überschritten wird.

Splitten der täglichen Ruhezeit

Hört sich zwar komisch an, aber auch das ist möglich. Die tägliche Ruhezeit von 11 Stunden kann ich in 1x 3 Stunden und 1x 9 Stunden splitten und gilt dann als vollwertige tägliche Ruhezeit und nicht als verkürzte. Ich komme dann zwar rechnerisch auf 12 Stunden insgesamt, aber das ist ja egal.

Im LKW schlafen
Auf einem Parkplatz einer Bäckerrei im Bremer GVZ

Verkürzen der wöchentlichen Ruhezeit

Das die wöchentliche Ruhezeit min. 45 Stunden betragen muss, setze ich mal voraus. Wenn nicht, dann weiß man es jetzt. Doch wenn ich die tägliche Ruhezeit von 11 auf 9 Stunden verkürzen kann, kann man auch die wöchentliche Ruhezeit verkürzen? Ja, das geht. Auf maximal 24h. Also alles, was in dem Zeitraum von 24 und 45 Stunden liegt, gilt als verkürzte Wochenruhezeit. Und wie oft darf man die wöchentliche Ruhezeit hintereinander verkürzen?

In Artikel 8 Abs. 6 der VO561/2006/EG steht das so:

(6) In zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen hat der Fahrer mindestens folgende Ruhezeiten einzuhalten:

  • zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder
  • Eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden. Dabei wird jedoch die Reduzierung durch eine gleichwertige Ruhepause ausgeglichen, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden muss.

Eine wöchentliche Ruhezeit beginnt spätestens am Ende von sechs 24-Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit.

Artikel 8 Abs. 6 VO561/2006/EG

Um das ganze mal zu übersetzen: Ich darf zwischen 2 regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten nur 1x verkürzen und muss bei der nächsten regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit die Zeit dranhängen, die bei der verkürzten wöchentlichen Ruhezeit verkürzt habe. Ums mal mit Zahlen auszudrücken: Verkürze ich meine wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden auf 32 Stunden, muss ich die Differenz (13 Stunden) bei der nächsten wöchentlichen Ruhezeit von 45 Stunden hinten dranhängen. Also 45 + 13 ergibt eine Gesamtzeit von 68 Stunden, die ich Pause machen muss. Je mehr ich verkürze (bis maximal 24h), umso mehr muss ich hinten dranhängen. Zwischendurch mal das Urteil des EuGH

In Ungarn hatte ein Lokführer geklagt, weil er vor oder nach freien Tagen oder Urlaubstagen keine Pause von elf Stunden bekam. Klingt komisch, ist aber so. Das Ganze ging irgendwann vor den EuGH, weil die Gerichtsbarkeit in Ungarn da Klärungsbedarf sah. Das Ergebnis kann man hier nachlesen: dejure.org

Laut europäischer Arbeitszeitrichtlinie hat ein Arbeitnehmer Anrecht auf 11 Stunden tägliche Ruhezeit innerhalb eines 24-Stundenzeitraumes. Und ja, auch die können verkürzt werden. Zumindest bei bestimmten Berufen, zu denen wir auch zählen. Dazu kommen min. 24 Stunden ununterbrochene Freizeit innerhalb einer Woche. Zur Erinnerung: Wir haben 45 Stunden!

Um es kurz zu machen: Der EuGH kam zu dem Entschluss, dass die tägliche und die wöchentliche Ruhezeit 2 voneinander zu trennende Zeiten seien. Jedoch käme die tägliche Ruhezeit zur wöchentlichen Ruhezeit hinzu.

Ändert sich was für uns Fahrer jetzt durch das Urteil? Nein. Denn wie ich schon geschrieben habe, haben wir ohnehin ein Anrecht auf min. 45 Stunden wöchentlicher Ruhezeit und nicht nur 24 Stunden, wie die anderen Arbeitnehmer. Somit ändert sich bei uns, so die Aussage von Fachausbildern, nichts durch das Urteil. Denn in diesem Urteil geht es rein um das Arbeitszeitgesetz. Die VO562/2006/EG wiegt als EU Verordnung schwerer (EU Recht vor nationalem Recht).

Ausnahmen in Sachen Lenk- und Ruhezeiten

Natürlich gibt es da auch Ausnahmeregelungen. Und es sind definitiv nur Ausnahmeregelungen, auch wenn es einige Firmen gibt, die die Ausnahmen zur Regel machen.

Sonderregel im grenzüberschreitenden Güterverkehr

Im grenzüberschreitenden Verkehr gibt es eine Ausnahmeregelung in Hinblick auf die Wochenruhezeiten. Hier, und nur hier darf ich 2x hintereinander die Wochenruhezeit verkürzen. Natürlich nicht ohne Auflagen. Diese sind wie folgt:

a) innerhalb eines 4 Wochen-Zeitraumes müssen neben der beiden verkürzten Wochenruhezeiten mind. 2 regelmäßige Wochenruhezeiten eingelegt werden.

b) die verkürzten Wochenruhezeiten müssen im Ausland verbracht werden. Wobei Ausland hier nicht das Niederlassungsland des Unternehmens oder der reguläre Wohnsitz des Fahrers ist.

c) Der Ausgleich der verkürzten Wochenruhezeiten muss so gestaltet werden, dass der Fahrer einen möglichst langen Erholungszeitraum hat. Heißt, wie bereits vorher geschrieben, die Differenz muss an die regelmäßige Wochenruhezeit angehängt werden.

Als Beispiel:

  1. Woche um 10 Stunden verkürzt (35h reduzierte Wochenruhezeit)
  2. Woche um 16 Stunden verkürzt (29h reduzierte Wochenruhezeit)

Ergibt eine Mindestdauer der Wochenruhezeit inkl. Ausgleich nach der dritten Woche auf die vierte Woche: 10 h + 16 h + 45 h = 71 h.

In der VO561/2006/EG gibt es noch den Artikel 12. Den sog. Notstandsparagrafen. Das heißt im Grunde, dass dieser Artikel 12 mein Joker ist, wenn die Lenkzeit aufgrund von unvorhersehbaren und von Fahrer/vom Unternehmen nicht beeinflussbaren Umständen, (Vollsperrung bspw.) zu Ende ist, obwohl ich es eigentlich innerhalb meiner Fahrzeit hätte schaffen können, einen sicheren Stellplatz für das Fahrzeug, die Ladung oder auch um nach Hause zu kommen.

Und nein, kein Parkplatz gefunden, fällt nicht unter diesen Artikel. Denn dass wir in Deutschland einen Parkplatzmangel haben, ist hinlänglich bekannt. Es muss schon was sein, womit man auch auf seiner regelmäßigen Strecke nicht hätte rechnen können, wie etwa ein Unfall oder eine Vollsperrung.

Was steht genau im Artikel 12

Sofern die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet wird, kann der Fahrer von den Artikeln 6 bis 9 abweichen, um einen geeigneten Halteplatz zu erreichen, soweit dies erforderlich ist, um die Sicherheit von Personen, des Fahrzeugs oder seiner Ladung zu gewährleisten. Der Fahrer hat Art und Grund dieser Abweichung spätestens bei Erreichen des geeigneten Halteplatzes handschriftlich auf dem Schaublatt des Kontrollgeräts oder einem Ausdruck aus dem Kontrollgerät oder im Arbeitszeitplan zu vermerken. Artikel 12 VO561/2006/EG

Man sollte sich darüber im Klaren sein, wenn man regelmäßig den „Joker“ zieht, dass das Fragen bei etwaigen Kontrollen aufwerfen kann und auch wird. Denn auch den Ausdruck muss man 28 Tage mit sich führen. Ab dem 31.12.2024 sind es dann 56 Tage (VO (EU) 2020/1054), die nachgewiesen werden müssen.

Im Artikel 12 steht allerdings nicht drin, wie lange man überziehen darf. Es steht zwar drin, dass man von dem Artikel 6 – 9 abweichen kann, um halt einen geeigneten Halteplatz zu erreichen. Aber eben nicht, wie lange das zu dauern hat.

Bislang gibt es da auch nur Empfehlungen, dass es nicht länger als 2 Stunden zu dauern hat. Womit wir auch bei der Lenkzeitüberschreitung am letzten Wochenarbeitstag sind. Denn hier gibt es dank EU-Mobilitätspaket eine „neue“ Regelung, dass ich eben noch nach Hause oder zum Betriebsgelände meiner Firma kommen kann. Allerdings nicht ohne Auflagen. Warum sollte es hier auch ohne gehen?!

Ich kann also bspw. an einem Freitag meine tägliche Lenkzeit um eine oder um 2 Stunden verlängern, damit ich nach Hause komme. Diese beiden Zeiten sind abhängig davon, wie lange meine Wochenruhezeit dauert. Verkürze ich meine Wochenruhezeit, darf ich nur 1 Stunde überziehen. Mache ich ganz normal meine regelmäßige Wochenruhezeit, darf ich 2 Stunden überziehen. Aber: wenn ich von einer auf 2 Stunden verlängere, muss ich noch mal 30 Minuten Pause machen. Hierbei gilt: Alle Lenkzeitverlängerungen müssen durch die gleichwertigen Ruhepausen ausgeglichen werden. Sie unterliegen der Dokumentationspflicht.

Bedeutet nichts anderes: Überziehe ich freitags 1 oder 2 Stunden, um zum Platz oder nach Hause zu kommen, muss ich meine Wochenruhezeit um eine oder um 2 Stunden verlängern.

To be continued….


Ich bin ein aktiver Berufskraftfahrer in zweiter Generation. Ich übe diesen Job nun seit Mitte der 1990er Jahre aus und habe in der Zeit viele verschiedene Bereiche des Transportsektors durchlaufen. Darunter waren auch kurze Abstecher in die Disposition, Lager, Fuhrparkleitung. Auf dieser Seite gebe ich lediglich meine eigene Meinung wieder. Diese muss nicht immer richtig sein. Daher empfehle ich bei rechtlichen Themen grundsätzlich immer den Gang zu einem entsprechenden Anwalt.

 

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